Dienstag, 26. November 2013

Novemberblues

Lange nix mehr von mir hören bzw. lesen lassen... Liegt wahrscheinlich daran, dass ich gerade furchtbar "busy" bin!
Ich gehe wieder arbeiten! Zwar noch reduziert, aber immerhin! So taste ich mich langsam wieder an das "normale" Arbeitsleben heran, mit allem Schnickschnack, also Konferenzen, Elternsprechtagen, Projekten, Schulfesten, etc. UND ich war seit den Herbstferien nicht mehr krank! Allein das ist schon ein riesen Erfolg, aber es gibt noch mehr zu feiern! Ich schaffe es auch wieder lange Spaziergänge zu machen und treibe - dank des Wundermittels Soliris - wieder regelmäßig Sport! Nachdem meine Blutwerte nun seit einiger Zeit relativ stabil sind und ich mich insgesamt fitter fühle, habe ich mich doch dazu entschieden meine Anmeldung im Fitnessstudio abzugeben und genieße jede Trainingseinheit!
All das macht mich unendlich glücklich! All das fühlt sich ein klein bisschen nach "altem Leben" an!

...und trotzdem habe ich im Moment den Blues... denn es ist halt doch nur "ein kleines bisschen" wie mein altes Leben und ich frage mich fast täglich:
Wie geht eigentlich "Alltag" mit einer schweren Krankheit? Gibt es überhaupt sowas wie "Alltag"?

Wer mich kennt, weiß wie chaotisch und unorganisiert ich eigentlich bin. Ordnung halten war noch nie meine Stärke, vor allem nicht auf meinem Schreibtisch. To-Do-Listen schreiben kann ich gut - sie dann auch organisiert abarbeiten allerdings nicht. Vorbereitungen sind bei mir nur dazu da, um gleich wieder über den Haufen geworfen zu werfen. Chaos besitzt für mich so etwas wie ein "flexibles Moment"; eine Hilfe oder Stütze um (im falschen Moment) richtig oder überhaupt auf Unvorhergesehenes reagieren zu können...für mich war da immer (zumindest etwas) Struktur im Unstrukturiertem...
Umso mehr verunsichert mich die Aussage einer Kollegin und Freundin, die zu mir meinte: "Du bist ganz schön "aufgeräumt" im Moment."
Ja bin ich. Ich übe gerade alles aufzuschreiben, denn sonst würde ich 80% davon vergessen. Ich versuche mich anders zu strukturieren, denn meine Krankheit (ver)braucht gerade so viel Aufmerksamkeit, dass ich mich mit dem Chaos um mich herum oft überfordert fühle!
Als ich noch krank geschrieben war, hatte ich genug Zeit der Krankheit die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie haben wollte. Jetzt fordern mich auch wieder andere Dinge und trotzdem braucht die Krankheit immer noch die gleiche Zeit - wie ein Kind, das nicht erwachsen wird (- niemals...)
und die Zeit fehlt, um dem unstrukturierten Chaos Struktur zu geben bzw. zu entnehmen...

Sich damit abzufinden "krank" zu sein ist das eine, damit zu leben das andere. Ich finde darauf müsste man vorbereitet werden...
Wie lernt man jeden Tag aufzuwachen, an seine Krankheit zu denken und nicht zu verzweifeln?
Wie lernt man Medikamente zu bestimmten Uhrzeiten zu schlucken, auch wenn es einem eigentlich "gut" geht? (Wie oft habe ich mich schon gefragt: "Habe ich das heute schon eingeworfen oder nur daran gedacht, dass ich es noch nehmen muss?!" )
Wie schafft man es nicht gleich bei dem kleinsten Zwicken und Zwacken im Körper in Panik zu geraten? (Immerhin lag ich schon auf der Intensivstation und habe selbst noch geglaubt, es sei alles halb so wild... )
Und wie, verdammt noch mal, schafft man es seine neuen Grenzen abzustecken und vor allem einzuhalten?
Who knows? I don't!
Aber es ist - wie so oft- einfach so, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss...

...und zumindest habe ich für meine Medikamente eine, für meine Spritzen sogar eine fast patentwürdige, Lösung gefunden:

Für alles andere lässt die zündende Idee noch auf sich warten...
Aber: so lange bin ich ja auch noch nicht im Club der chronisch Kranken und wie heißt es so schön: "Kommt Zeit, kommt Rat" - oder ein Rilke Gedicht 

Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,
du mein tieftiefstes Leben;
dass du weißt, was der Wind will,
eh noch die Birken beben.

Und wenn einmal dir das Schweigen sprach,
Lass deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gib dich hin, gib nach,
er wird dich lieben und wiegen.

Und dann meine Seele sei weit, sei weit,
dass dir das Leben gelinge,
breite dich wie ein Feierkleid
über die sinnenden Dinge.